Der Ort Chizzinga geht in seinen Ursprüngen wohl auf eine alemannische Gründung aus der Zeit der Völkerwanderung zurück: Dies schließt man aus der für Franken und weiter nordwärts unüblichen Endung “-ingen”, die aber häufig im schwäbischen Raum anzutreffen ist.
Der Sage nach gründete im Jahr 745 Hadeloga, eine Tochter des karolingischen Hausmeiers Karl Martell, das Benediktinerinnenkloster Kitzingen und wurde dessen erste Äbtissin. Urkundlich lässt sich das Bestehen des Klosters durch die Lebensbeschreibung des ersten Fuldaer Abtes Sturmius aus dem Jahr 749 nachweisen, der auf der Rückreise von Rom hier eine Erkrankung auskurierte. Der Hl. Bonifatius hatte mit der Hl. Thekla zusätzlich eine wichtige Mitarbeiterin zur Klosterleitung eingesetzt.
Die Abtei besaß im Hochmittelalter einen exzellenten Ruf als Schule für adelige Töchter: So wurde die Hl. Hedwig von Schlesien hier erzogen, und sogar die Hl. Elisabeth von Thüringen verbrachte nach ihrer Vertreibung aus Thüringen einige Zeit bei ihrer Tante, der Äbtissin Mechthild, in Kitzingen. 1007 schenkte Kaiser Heinrich II. die Abtei dem neu gegründeten Bistum Bamberg, wodurch das Kloster seine Reichsunmittelbarkeit verlor.
1040 ist erstmals in einer Urkunde König Heinrichs III. von einer villa Kitzingen in der Nähe des Klosters die Rede, aus der die spätere, von einer Mauer umgebene städtische Siedlung entstand. 1290 wird der Ort zuerst als Stadt bezeichnet und zehn Jahre später in einer Urkunde der Herren von Hohenlohe, die die Vogtei über Kloster und Stadt innehatten, die Existenz einer Mainbrücke erwähnt.
Am 8. August des Jahres 1266 kam es nach einer schismatischen Bischofswahl durch das Würzburger Domkapitel zwischen den Kandidaten und deren Anhang zur Schlacht von Kitzingen. Dabei stand die von den Hohenlohe und den Würzburger Bürgern unterstützte Partei des Domkapitels gegen die Truppen des anderen Prätendenten aus der Dynastie der Henneberger, die ihre Casteller Verwandtschaft mit aufboten. Der Versuch, dem Henneberger das Amt mit Gewalt zu verschaffen, endete in der Schlacht zugunsten des Bistums. Das Haus Castell verlor in der Folge weite Teile seines früheren Besitzes, vor allem im Maintal. Als Teil der Casteller Reichslehen verblieb den Grafen aber u. a. noch das Geleitrecht von Kitzingen bis zur Bubeneiche sowie der Wildbann im Kitzinger Klosterforst, der von Würzburg und Bamberg zu Lehen ging.
Blick auf die Turm-Silhouette von Kitzingen (v.l.nr.): Alte Synagoge, Deuster-Turm, Marktturm, kath. Pfarrkirche St. Johannes, ev. Stadtkirche
Im Jahr 1344 stifteten die Brüder Rüdiger, Wolfram und Konrad Teufel, drei gebürtige Kitzinger (Grabstein in der ehem. Spitalkirche), und der Nürnberger Schultheiß Konrad Groß ein Spital zur Unterbringung und Pflege von alten und kranken Menschen. Dieselben Brüder hatten vier Jahre zuvor bereits ihren beträchtlichen Besitz in der Ortschaft Laub dem Bürgerspital zum Hl. Geist in Würzburg vermacht. Seit 1336 geriet Kitzingen in mehreren Schritten bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts aus der Hoheit der Grafen von Hohenlohe in den Besitz des Hochstifts Würzburg. Doch Streitigkeiten mit seiner Würzburger Bürgerschaft und die krasse Misswirtschaft der folgenden Jahrzehnte trieben den Fürstbischof in erhebliche Geldnot und führten zu einer unerhörten Verschuldung des Hochstifts. Würzburg war dazu gezwungen, immer mehr Besitzungen zur Kreditsicherung zu verpfänden, weshalb Kitzingen 1443 um die Summe von 39.000 Gulden in die Hand der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach gelangte, dies allerdings vorbehaltlich des ewigen Rechts auf Wiedereinlösung.
Kaum hatte man die 1484 bei einem Großbrand zerstörten Gebäude und die Kirche des Klosters wieder errichtet, plünderten und zerstörten die Bauern die Anlage während der Unruhen des Jahres 1525 erneut. Am Bauernaufstand nahmen auch zahlreiche Kitzinger Bürger teil und mussten nach dessen Niederschlagung ein blutiges Strafgericht über sich ergehen lassen. Ihrer 60 wurden von Markgraf Kasimir von Brandenburg-Ansbach mit Blendung und Stadtausweisung bestraft. Die Stadt selbst wurde zur Zahlung von 13.000 Gulden Strafe sowie zur Instandsetzung der zerstörten Wohngebäude und der Kirche der Abtei verurteilt. Tilman Riemenschneider restaurierte im folgenden Jahr einen beschädigten Altar für die Nonnen. Zu dieser Zeit war Graf Johann zu Castell brandenburgischer Amtmann in Kitzingen, wo er ein stattliches Haus sein Eigen nennen konnte. Als der Bauernkrieg auch das Casteller Schloss in Schutt und Asche gelegt hatte, blieb er in der Stadt wohnen und machte keine Anstalten, seinen Anteil am Schloss Castell wiederaufzubauen. Da er aber Entschädigungszahlungen dafür erhalten hatte, mahnte ihn schließlich sein Lehensherr, der Würzburger Bischof, dies in Angriff zu nehmen. Noch während dieser Baumaßnahmen scheint er 1528 in Kitzingen gestorben zu sein und wurde in der Pfarrkirche neben seiner ersten Frau Katharina Röder bestattet, woran noch im 19. Jahrhundert ein Epitaph erinnerte.
Schon früh, nämlich 1528, führte Markgraf Georg der Fromme die evangelische Lehre in Kitzingen ein, wo mit Paul Eber 1511 ein bedeutender Mitstreiter der Wittenberger geboren wurde. 1544 hob Markgraf Georg Friedrich das Kloster auf und richtete ein adeliges Damenstift in den Gebäuden ein.
1629 konnte Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg die Pfandsumme bezahlen und Kitzingen wieder in den Besitz des Hochstifts Würzburg zurückführen. Die folgende Rekatholisierung zwang mehr als 1.000 evangelische Bürger, darunter 20 Ratsherren, zur Auswanderung. Nach einem kurzen protestantischen Zwischenspiel während des Dreißigjährigen Krieges unter König Gustav Adolf, gewährte Fürstbischof Johann Philipp I. von Schönborn 1650 in einem Gnadenvertrag den Kitzinger Protestanten die Glaubensfreiheit.
Zwischen 1792 und 1815 wurde die Stadt während der Revolutions- und der Napoleonischen Kriege durch zahlreiche Einquartierungen und Truppendurchzüge schwer in Mitleidenschaft gezogen. Als bayerische Landstadt nahm sie im 19. Jahrhundert eine langsame, aber beständige Entwicklung. Ein Luftangriff am 23. Februar 1945 kostete über 600 Menschenleben und zerstörte rund ein Drittel der historischen Bausubstanz.
Abschließend noch ein Blick auf die jüdische Gemeinde in Kitzingen, die seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar ist. Deren Geschichte war eine stete Folge von Pogromen, Vertreibung und Wiederzulassung. Ihre Blütezeit hatte sie um die vorletzte Jahrhundertwende, als eine neue Synagoge mit Ritualbad entstand und sie über 450 Mitglieder zählte. In den Dreißiger Jahren kam es zum fortschreitenden Exodus der Juden, bis 1942 die letzten 94 Juden aus Kitzingen in das Transitlager Izbica (bei Lublin) und in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurden. Nur drei Kitzinger Frauen überlebten die Todeslager, nach dem Krieg kehrte kein früheres Gemeindemitglied dauerhaft nach Kitzingen zurück.
Das bedeutendste Bauwerk der alten Weinhandelsstadt Kitzingen ist die kath. Pfarrkirche St. Johannes, die zwischen 1400 und 1487 entstand. Ungewöhnlich ist ihr auf der Nordseite gelegener Haupteingang mit der Darstellung des Jüngsten Gerichtes im Tympanon, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass es in Richtung des an ihr bauenden früheren Benediktinerinnenklosters blickt. Den 34 Meter hohen Turm schließt heute eine barocke Haube ab, deren Pläne Balthasar Neumann zeichnete. Ursprünglich wohl als dreischiffige Basilika geplant, wurde sie letztlich als Hallenkirche ausgeführt, deren rares Spezifikum eine im südlichen Seitenschiff eingebaute Empore darstellt. Hohe Netzgewölbe und lichte, mit modernen Glasgemälden geschmückte Fenster geben dem Raum seine Stimmung. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Restaurierungen alte Gemälde zum Vorschein gebracht: Im Chor erblickt der Besucher einen riesigen Hl. Christophorus und an der Nordwand des Seitenschiffes Fresken der Mutter Jesu, zweier Heiliger und einer Beweinung. An Ausstattungsstücken ist neben dem spätgotischen Sakramentshäuschen vor allem der Bestand an Holzbildwerken der Zeit um 1500 erwähnenswert: Mit dem Umkreis des Tilman Riemenschneider lassen sich vier Reliefs der Evangelistensymbole nach Vorlage von Stichen Martin Schongauers in Verbindung bringen, darunter vier große Passionsszenen mit den Geheimnissen des schmerzhaften Rosenkranzes, die wohl Reste der Flügelreliefs des ehemaligen Hauptaltars sind, und eine Statue der Hl. Anna Selbdritt. Auch die an der südlichen Außenwand errichtete Ölberggruppe dürfte der Schule dieses bedeutendsten mainfränkischen Bildhauers der Spätgotik zuzuschreiben sein.
Krönung Mariens im Westportal von St. Johannes (1. Hälfte 15. Jh.)
Mit der evangelischen Stadtkirche prägt ein zweiter Kirchenbau die Silhouette der Stadt schon aus der Ferne. An der Stelle der schon im 8. Jahrhundert gegründeten Benediktinerinnenabtei, die durch die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach während deren Pfandherrschaft 1544 säkularisiert wurde, erhebt sich heute der wuchtige Barockbau der Kirche des 1660 von Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn mit französischen Ursulinen neu besiedelten Klosters. Baumeister dieser gravitätisch anmutenden Architektur aus dem Jahr 1686 war der damalige Würzburger Hofbaumeister Antonio Petrini, der es verstand, den Formenschatz des italienischen Barock, den die reich gegliederte Fassade verkörpert, mit der emporstrebenden Höhe des Nordens an Front und Turm zu verschmelzen. In der Nische über dem Portal grüßt die Statue des Hl. Johannes des Täufers die Beter, die den nur mit einer strengen Pilasterreihung und schlichten Stukkaturen gestalteten Innenraum betreten. Ein heiteres Element stellt das achteckige Obergeschoss des mächtigen, 64 Meter hohen Kirchturmes mit Balustrade und laternenbekrönter Kuppelhaube dar. Das nach der Säkularisation von 1803 leerstehende Gotteshaus wurde 1817 von der evangelischen Kirchengemeinde erworben und nach den Schäden des Luftangriffes vom 23. Februar 1945 wieder instandgesetzt. Allabendlich ertönt der Gebetsruf der mehr als sechs Tonnen schweren “Vaterunser-Glocke” über Kitzingen und sein weites Umland Richtung Steigerwald.
Der evang. Kirche schräg gegenüber steht am Markt das schmucke Renaissance-Rathaus, das zwischen 1561 und 1563 durch Meister Hans Eckhardt aus Schaffhausen erbaut wurde. Abgetreppte Giebel und ein Treppenturm beleben die Fassaden des wirkungsvoll auf die Straßenecke plazierten Bauwerks. Im Erdgeschoss gibt es eine weite Halle, im ersten Stock eine von schönen Deckenbalken überfangene, Diele sowie im zweiten Obergeschoss eine reich vertäfelte Ratsstube zu bestaunen. Mit den beiden dem Weingenuss frönenden Gestalten des “Kitzinger Häckers” und des “Kitzinger Kätherles” treten uns auf der Ost- bzw. Nordseite des Gebäudes die populären Wahrzeichen der Stadt entgegen. Neben dem Rathaus reckt sich mit dem dicken Marktturm ein Reststück der inneren Stadtbefestigung in den Himmel, der früher neben dem Türmer auch Delinquenten beherbergte, die in seinen Gefängniszellen einsitzen mussten. Heute ist in ihm das Zentralarchiv der Deutschen Fastnacht untergebracht.
Weit berühmter als sein Gegenstück in der Stadtmitte ist der Falterturm mit seinen 52 Metern Höhe, dessen Mauern seit 1966 das Deutsche Fastnachtsmuseum bergen. Verballhornend nach einem einst daneben gelegenen Stadteingang mit Falltor benannt, blieb der von 1469 bis 1496 erbaute Turm als beachtlichster Überrest des äußeren Kitzinger Mauerberings erhalten. Seine unverkennbare, zur Seite hängende Spitze macht ihn zum berühmten “Schiefen Turm” von Franken. Auch wenn es sich ursächlich ganz profan nur um ein Absacken des Dachgebälks handelt, so hört man doch gern die Geschichte von den Bürgern, die beim Bau den Mörtel mit Wein vermischt oder beim Zurichten der Balken zu tief ins Glas geschaut hätten und so für den Schiefstand verantwortlich seien.
Ein wichtiger Grund für Kitzingens Existenz war vor Zeiten das Vorhandensein einer Furt, die heute längst von einer Brücke überspannt wird. In einer Urkunde aus dem Jahr 1300 wird sie zum erstenmal erwähnt. Zusammen mit den anderen mittelalterlichen Mainbrücken in Eltmann, Schweinfurt, Ochsenfurt, Würzburg und Aschaffenburg war sie einer der bedeutendsten Flussübergänge in unserem Raum und trug nicht unwesentlich zum Gedeihen von Handel und Wandel in Kitzingen bei. Diese Tatsache unterstreicht, dass sie bis heute in Wappen und Siegel der Stadt Kitzingen als typisches Sinnbild für das Gemeinwesen am Mainfluss verwendet wird.
Unweit des Flusses befindet sich auch die ehemalige Synagoge der Kitzinger jüdischen Gemeinde. Sie wurde 1882/1883 nach Plänen von Christoph Schneider erbaut und 1938 während der hämisch als “Reichskristallnacht” bezeichneten Ausschreitungen der Nationalsozialisten abgebrannt. Dabei erlitt nicht nur das Gebäude im maurischen Stil mit seinen überkuppelten Türmen schwerste Beschädigungen, sondern auch die wertvolle Ausstattung wurde zerstört. Nach langen Jahren des ruinösen Daseins konnte sie schließlich Anfang der 1990er Jahre als Ort des Gedenkens und für kulturelle Veranstaltungen wieder eröffnet werden.
Eingangshalle der Alten Synagoge
In Etwashausen, jenseits des Maines, besitzt Kitzingen mit der kath. Kapelle Hl. Kreuz noch ein besonderes Kleinod der Architektur. Der geniale Barockbaumeister Balthasar Neumann schuf dieses einmalige Kirchlein von 1741 bis 1744 als Fassadenturmanlage auf dem Grundriss des lateinischen Kreuzes. Über den Kreuzungspunkt der Kirchenschiffe legte er sein baukünstlerisches Leitmotiv, eine Rotunde. Vier freistehende toskanische Doppelsäulen tragen diese halbkugelige Vierungskuppel, die von den sie berührenden Kreuzarmen angeschnitten wird. So kommt das architektonischen Niveau der aufwendigsten Dorfkirche Neumanns durchaus seinen großen Kirchenbauten gleich. P.A.S./A.C.
Tourist-Information Kitzingen
Schrannenstr. 1 - 97318 Kitzingen - Tel. 09321 920019 - Fax 09321 21146
KITZINGEN